Apples abenteuerlicher Angriff auf andere Apps

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Wenn der Gatekeeper sagt: „Du kommst hier nicht rein“ (Foto: Apple)

Am 1. Februar hat Apple ein Update seiner „App Store Review Guideline“ veröffentlicht und damit für Verunsicherung bei Betreibern von Finanz-Apps und munteren Diskussionen in der Payment-Blase gesorgt. Was will Apple mit dem neuen Paragraph 3.2.1. VIII bezwecken? Ist die Neuregelung eine hektische Reaktion auf die GameStop-Spekulationen bei Neo-Brokern, ein von langer Hand geplanter Angriff auf Multibanking- und Money-Management-Apps oder nur eine missverständliche Klarstellung?

„Meine These: Apple wiederholt das Playbook von Apple Pay“, sagte André Bajorat, Head of Strategy Corporate Bank bei der Deutschen Bank, am Freitag im PaymentandBanking Weekly auf Clubhouse. Seit Bodo Ramelows 10-Level-Candy-Crush-Gate wissen wir ja, dass auf Clubhouse nicht „unter drei“ gesprochen wird, deshalb darf ich die ebenso spannende wie plausible These hier frei Schnauze zitieren, um sie zur Debatte zu stellen.

Worum geht´s nochmal? Apple hat die Richtlinien für die Zulassung von Apps zum AppStore überarbeitet. Neben Neuerungen beim Tracking und In-App-Käufen findet sich unter Punkt 3.2 „Other Business Modells Issues“, 3.2.1. „Acceptable“ nun die Formulierung:

(viii) Apps used for financial trading, investing, or money management should come from the financial institution performing such services.

Vorher stand da:

(viii) Apps used for financial trading, investing, or money management should come from the financial institution performing such services or must use a public API offered by the institution in compliance with its Terms & Conditions.

In den Erläuterungen zu den neuen Richtlinien schreibt Apple ziemlich unmissverständlich, was die Änderung bezwecken soll:

3.2.1(viii): Clarified who can create apps for these services. Removed option to use a public API: “Apps used for financial trading, investing, or money management should come from the financial institution performing such services.”

Apple: „Es ist nichts passiert, gehen sie weiter“

Gegenüber Heise ließ Apple am Donnerstag erklären, die Regeln für Finanz-Apps blieben gunverändert, die aktualisierte Fassung solle „dem besseren Verständnis dienen“. Nur ein Montags-Modell des 3.2.1. also? Alles gar nicht so gemeint?

In der besagten Clubhouse-Experten-Runde von PaymentandBanking am Freitag wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass App-Betreiber mit der Beschwichtigungserklärung von Apple gegenüber Heise wenig anfangen können. Die Runde war mit erfahrenen Kennern der Payment- (und vor allem auch Schnittstellen-)Welt besetzt, wie eben André Bajorat, Miriam Wohlfarth, Jochen Siegert, Klaus Igel, Carl Frederic Zietscher und Dr. Jörg Howein. Man rätselte, teils auch noch etwas überrascht, rum, was Apple mit der besagten Guideline-Änderung beabsichtigt. Entscheidend wird letztlich sein, was Cupertino wirklich vorhat und, ob nun Finanz-Apps von Drittparteien tatsächlich rausgeworfen werden oder nicht. Ein Damoklesschwert für alle App-basierte Geschäftsmodelle im Finanzbereich. Entsprechend besorgt, fragte MoneyMoney bereits am Dienstag:

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Wenn der Gatekeeper die Türen schließt

Was nun will Apple wirklich mit der Vorgabe, Finanz-Apps sollen von der Institution kommen, die den Service anbietet? Was soll das Weglassen bzw. Verbieten von „public API“ im neuen 3.2.1. (viii)? Was ist überhaupt mit „öffentlichen Apps“ gemeint? Ist eine PSD2- oder FinTS-Schnittstelle „öffentlich“?

Letzteres lässt sich meines Erachtens einfach beantworten. Auch wenn Drittparteien zur Nutzung von PSD2- und andere Bank-Schnittstellen bestimmte Anforderungen erfüllen müssen, sind dies „öffentliche Schnittstellen“. Jedermann (=öffentlich), der die Anforderung „in compliance with its Terms & Conditions“ erfüllt, kann bzw. konnte eine solche API für sein Geschäftsmodell nutzen. Das ist nun aber offenbar von Apple im Bereich Finanz-Apps nicht mehr gewünscht. Nur noch das Finanzinstitut, das den ursprünglichen Konto-/Broker-/Money-Management-Service erbringt, soll diesen Service auch per App erbringen dürfen.

Wenn dem so ist, wäre die neue AppStore-Zulassungspolitik ein klarer Verstoß gegen den „Open Banking“-Gedanken der PSD2, die ja exakt diesen Zugriff von Drittparteien auf Bankdienstleistungen bzw. Kontoinformationen will, um Wettbewerb und Innovationen in diesem Sektor zu fördern.

Offenbar möchte Apple Multibanking- und/oder Money-Management-Services aber lieber selbst an den Kunden bringen und zwar als einziger Anbieter (aus Sicherheitsgründen vermutlich, wie schon bei Apple Pay stets betont. Alles nur zum Schutz der Kunden, des Datenschutzes und der Systemsicherheit). Closed Shop statt Open Banking. Motto: Wettbewerb belebt das Geschäft, kein Wettbewerb belebt das Geschäft noch mehr. Cupertino will nicht nur die körperliche Gesundheit mit der Health-App überwachen, auch die finanzielle Gesundheit seiner Schäfchen interessiert den großen Bruder guten Hirten. Dafür gibt es dann demnächst die „FinHealth“-App von Apple – und davon kann es nur eine geben.

Das Playbook von Apple Pay wiederholen

Und damit sind wir wieder bei der Eingangsthese: „Apple will das Playbook von Apple Pay wiederholen“. Das Drehbuch von Apple Pay läuft, grob skizziert, bekanntlich wir folgt ab: Man bringe eine supersmarte Payment-Lösung auf den Markt und zwinge alle Banken dazu, ausschließlich über diese Infrastruktur an die eigenen Kunden zu kommen. (Nebenbemerkung: Das lasse man sich auch noch fürstlich entlohnen. Manche nennen es gar „digitale Wegelagerei„). Wenn sich dann alle Kunden an das Zahlen mit Apple Pay gewöhnt haben, bedanke ich mich höflich bei den Old-Style-Banken fürs Steigbügelhalten und kicke sie aus der Wertschöpfungskette, indem ich die Kunden mit meiner eigenen Kreditkarte versorge – sei es in Kooperation mit Goldman Sachs oder demnächst als Apple Card Family für die ganze Familie.

Talk of the week: Auch die Payment-Experten von PaymentandBanking grübeln im Clubhouse-Talk noch über Apples Absichten.

Coming soon: Teil II. des Blockbusters. Eine Apple-eigene Money-Management-App an der ebenfalls keiner vorbeikommt bzw. zu der es ebenfalls keine Alternative geben darf, wäre der konsequente nächste Schritt, um den Kunden in einen schönen warmen Kokon einzuspinnen und die Verbindung Kunde-Bank ein weiteres Stückchen zu übernehmen. Vom Payment zum Money-Management. Das Playbook wiederholt sich, wegen des großen Erfolgs. Was wäre der nächste Schritt (Teil III.) und wie monetarisieren wir das? Dazu fehlt mir gerade die Phantasie, aber da wird sich schon was ergeben. Der Möglichkeiten sind da viele. Was einmal in der Wallet drin ist, kommt da so schnell nicht mehr heraus.

Wenn das der Plan zur Weltherrschaft wäre, darf Apple das?

Die Politik hat sich bekanntlich mit dem „Lex Apple Pay“ daran versucht, die Monopolisierungsstrategie von Apple und anderen GAFAs bei Zahlungsdiensten zu durchkreuzen, wenn auch erfolglos. Der entsprechende § 58a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bezieht sich aber eben nur auf Zahlungsdienstleistungen, daher können sich Betreiber und Entwickler von Finanz-Apps nicht auf das ZAG als rettenden Strohhalm berufen, um Apple notfalls auf dem Klageweg zur Zulassung im AppStore zu zwingen.

Hilfe könnte aber der brandneue § 19a GWB-„Digitalisierungsgesetz“ bringen. Erst seit einer Woche ist die 10. GWB-Novelle in Kraft, mit der die Übermacht der GAFA & BAT gebrochen werden soll, um den Wettbewerb im digitalen Zeitalter aufrecht und die Märkte offen zu halten. So zumindest der fromme Wunsch der Bundesregierung.

Nun wendet der ein oder andere sicher ein: § 19a GWB kümmert und kennt in Cupertino kein Mensch. Das glaube ich nicht zum einen so ganz, wenn man sich anschaut, auf welcher Ebene Apple gegen § 58a ZAG lobbyiert hat. Und es kann uns zum anderen auch egal sein, denn auch Facebook musste den neuen GAFA-Paragraphen schon sehr schnell zur Kenntnis nehmen. Kaum drei Tage war die Novelle in Kraft, da schon zückte das Bundeskartellamt kampflustig das sehnlich erwartete neue Schwert im Verfahren um die Verknüpfung von Oculus Virtual-Reality-Produkten mit Facebook. Bekanntlich hat einst Amazon die Bestpreis-Klausel europaweit gekippt, weil das Bundeskartellamt gegen diese Wettbewerbsbeeinträchtigung vorgegangen war. Es ist also nicht so, dass nationale Kartellbehörden keine Handhabe gegen Apple, Facebook, Amazon und andere BigTechs hätten. (Ok, wollen mal sehen, ob Google in Australien wirklich den Stecker zieht.)

Ein Fall für den GAFA-Paragraphen im GWB-„Digitalisierungsgesetz“?

Der neue § 19 a GWB ermöglicht dem Kartellamt eine verschärfte Missbrauchsaufsicht gegenüber Unternehmen mit einer „überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb“, womit die GAFA adressiert sind. Apple wird wohl einer der „Normadressat“ sein, wie es im Juristen-Amtsdeutsch so schön heißt. Bezüglich des hier diskutierten Verbots, Apps im AppStore anzubieten, die PSD2-, HBCI-, FinTS-Schnittstellen für Finanzservices nutzen, dürfte wohl § 19a GWB Abs. 2, Nr. 2 a.) oder b.) einschlägig sein. Ich habe das offen gestanden noch nicht so ganz durchdrungen und es gibt ja auch noch keinerlei Fallpraxis dazu.

§ 19a II, Nr. 2 verbietet GAFA & Co.:

„Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere

a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;

b) andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben oder Abnehmer auch über andere als die von dem Unternehmen bereitgestellten oder vermittelten Zugänge zu erreichen;“

Fazit

Wenn es wirklich die Absicht von Apple ist, Finanz-Apps-Services nur noch von der jeweiligen Hausbank oder durch eine eigene „FinHealth“-App erbringen zu lassen und andere Drittparteien-Apps aus dem Store zu schmeißen, dann hätte das deutsche Kartellamt mit § 19a GWB eine Möglichkeit dagegen einzuschreiten. Auf europäischer Ebene wird es alsbald ebenfalls ein „New Competition Tool“ geben, dass solche Monopolisierungsstrategien verhindern soll. Ok, der Rechtsweg dauert dann vielleicht so 5, 10 oder 15 Jahre (s.a. Google), aber der gute ordnungspolitische Wille des Gesetzgebers ist da.

Es bleibt also spannend. Oder wie heißt es so schön bescheiden im ersten Satz der „App Store Rewiew Guidelines“?: „Apps are changing the world…“

Leseempfehlung

Versuchen wir es bei den BigTecs doch mal mit dem Big Picture: Es geht ja nicht nur um Apple und eine kleine App zur Übersicht über die eigenen Finanzen und ggfs. zu ihrer Optimierung. BigTec in Finance ist längst ein geogalaktisches, gesellschaftspolitisches Thema von ähnlicher Bedeutung wie die Frage, ob Twitter und Facebook einen Donald Trump mundtot machen dürfen oder eine App wie Parler einfach aus den AppStores schmeißen können – bei aller Verachtung für Trump und Parler und der Gefahr, die von beiden ausgehen mag. Spätestens aber, wenn Google Australien androht, seine Suchmaschine auf dem Kontinent flugs abzuschalten, um eine missliebige Gesetzgebung zu verhindern, wird man doch mal die Frage nach der Macht der Plattformen aufwerfen dürfen.

Die unscheinbare, aber gewichtige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, in der die Zentralbanken dieser Welt organisiert sind, macht sich jedenfalls Sorgen über die Ambitionen und Aktivitäten der „BigTec in finance“ und sieht die nationalen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden vor „heiklen Herausforderungen“, wie in dieser Rede von Agustín Carstens, General Manager der BIZ, sehr deutlich wird. BTW: Die haben auch nette Papers zu digitalen Währungen.

To be discussed… 🙂

Eine Gegenrede zum obigen Blogbeitrag hat Maik Klotz am 10. Februar hier auf PaymentandBanking veröffentlicht. Demnach ändert sich nix. Schauen wir mal.

5 Gedanken zu „Apples abenteuerlicher Angriff auf andere Apps

  1. ..für moneymoney als macOS App gibt es immerhin noch den Ausweg, der „direkten“ Installation. Nur im App-Store wäre es (und alle Wettbewerbsprodukte) dann nicht mehr zu finden.
    Es gibt ja sehr viele App-Entwickler, die sich aus diversen Gründen gegen den App-Store bzw. dessen Richtlinien und Kosten entschieden haben.

    Unter iOS schaut das Ganze dann allerdings schlechter aus. Unabhängige Finanzapps auf dem iPhone oder iPad gäbe es dann nicht mehr.

    btw: Viele Banken behindern die unabhängigen Apps ohnehin schon – indem die PSD2 Vorgaben für externe Apps nur ein (meist umständlicheres) Verfahren erlauben oder auch zur Umsatzabfrage jederzeit eine 2-Faktor Authentifizierung nötig ist.

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