Die Europäische Zentralbank sollte das Projekt des “digitalen Euro” schleunigst als europäisches Identifikations- und Unabhängigkeitsprojekt vorantreiben.
Das Editorial der Fachzeitschrift „Recht der Zahlungsdienste“ 1/2021 aus der dfv Mediengruppe.
Kommt er oder kommt er nicht? Das ist die spannendste Frage, die sich in der Payment-Welt in diesem Jahr stellt. Mitte 2021 will der EZB-Rat entscheiden, ob die Europäische Zentralbank einen digitalen Euro ausgeben wird. Für Christine Lagarde ist die Sache bereits entschieden: “Wir werden einen digitalen Euro haben”, sagte die EZB-Präsidentin unmittelbar nach dem Ende der öffentlichen Konsultation (Siedenbiedel, FAZ online vom 13.1.2021, Abruf: 12.2.2021). Fünf Jahre veranschlagt Lagarde für die Entwicklungszeit.
Digitales Zentralbankgeld, für jedermann schnell, bequem und sicher verfügbar, könnte viele Probleme im Payment lösen. Manch einem erscheint der digitale Euro gar als eine “eierlegende Wollmilchsau” im Zahlungsverkehr. Eine digitale Währung würde die Transaktionskosten praktisch auf Null senken und die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von Kreditkartenorganisationen und bankgetragenen Kartensystemen überwinden. Zudem könnte sie bargeldlose Zahlungen auch in Bereichen ermöglichen, für die es bislang noch immer keine zufriedenstellenden Lösungen gibt. Für die Kritiker ist digitales Zentralbankgeld allerdings eine “Büchse der Pandora”. Sie sehen durch eine Central Bank Digital Currency (CBDC, s. dazu auch Diehl, RdZ 2020, 70) die Preis- und Finanzstabilität ebenso gefährdet wie die traditionelle Aufgabenverteilung von Banken und Zentralbanken.
Nun sind Zentralbanker von Natur aus eher konservative Menschen und weniger als Technikpioniere oder Visionäre bekannt. Vermutlich auch deshalb überwiegen in den Diskussionen um digitales Zentralbankgeld auf ihrer Seite die skeptischen und zurückhaltenden Stimmen – auch wenn es bereits zahlreiche CBDC-Initiativen von Zentralbanken auf der ganzen Welt gibt. Bundesbankchef Jens Weidmann etwa warnte kürzlich auf der Veranstaltung “Future of Payments in Europe” vor einer “strukturellen Disintermediation”, wenn die Bürger ihr Geld nicht mehr zur Hausbank bringen, sondern nur noch digitales Zentralbankgeld in ihren Sparstrumpf bzw. ihre eWallet stecken.
Es fragt sich allerdings, ob Zaudern und Zögern angesichts der Dynamik der Digitalisierung der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens hilfreich sind.
Die Corona-Pandemie hat den Trend zu elektronischen Zahlungen nochmals deutlich verstärkt (vgl. statt vieler Deutsche Bundesbank, Zahlungsverhalten in Deutschland 2020, Abruf: 12.2.2021). Umso bedeutsamer aber bargeldlose Zahlungen werden, desto drängender stellt sich die Frage, wer diese Payment-Verfahren kontrolliert und wer von ihnen profitiert. Behalten Staaten und Zentralbanken die Hoheit über die Geldströme und das Währungswesen oder übernehmen private Akteure aus dem Kreis der BigTechs – Google, Apple, Facebook, Amazon & Co. (GAFA, Alipay, WeChat Pay) – nach und nach die Kontrolle? Für die GAFA gewinnt der Zahlungsverkehr als Schlüssel zum Kunden mehr und mehr an strategischer Bedeutung. Apple und Google forcieren ihre mobilen Payment-Lösungen. Google will künftig gar Girokonten anbieten, und Facebook versucht mit “Diem” den ganz großen Wurf und will eine digitale Währung schaffen (s. dazu auch Walter, RdZ 2020, 70).
Die im Oktober 2019 erfolgte Ankündigung von Facebook-CEO Mark Zuckerberg, eine digitale Währung zu kreieren, war vielleicht ein heilsamer Weckruf für Politik und Zentralbanker. Eine digitale Währung aus der Hand einer privaten Organisation, weltweit gültig und für jedermann nutzbar, ist für viele ein Horrorszenario aus einem dystopischen Science-Fiction-Film. Die Folgen wären unabsehbar – für die Finanzstabilität, die Finanzaufsicht, die etablierte Finanzwirtschaft, aber auch für Staat und Gesellschaft. Entsprechend schnell wurden die Rufe nach einer harten Regulierung bzw. einem Verbot des “Diem-Projekts” laut.
Wenn es aber einen Bedarf für eine digitale Währung gibt, weil sie Probleme im Payment lösen kann, dann helfen Regulierungen und Verbote auf Dauer nicht weiter. Dann sollte die EZB das Projekt lieber selbst in die Hand nehmen und den “digitalen Euro” schleunigst als europäisches Identifikations- und Unabhängigkeitsprojekt vorantreiben. Was Facebook können will, sollte Europa schon lange können, auch in weniger als fünf Jahren.
Autor
Hanno Bender, ist Ressortleiter Recht & Politik der Lebensmittel Zeitung bei der dfv Mediengruppe in Frankfurt a. M. und Betreiber von BargeldlosBlog.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der dfv Mediengruppe.
Die Frage ist in der Tat: „Was soll ein digitaler Euro bezwecken?“
Wenn es darum geht, zu der existierenden Währung eine Parallelexistenz als Stablecoin zu ermöglichen, um bestimmte ZV-Prozesse zu beschleunigen und sicherer zu machen, so kann es sinnvoll sein. Es gilt dann die Abwägung zu treffen zwischen Nutzen und Kosten der Beschleunigung auf der einen Seite und ebenfalls zwischen Schäden (Betrug und Zahlungsfehlern) und wiederum den Kosten aus einer Umstellung und dauerhaftem Betrieb. Dabei sollte man sich auch vor Augen führen, dass der Betrug sich dann von der Manipulation auf die Manipulation der Authentifizierung verlagern wird. Jetzt sind Cryptowährungen ja grundsätzlich sicher, aber wir werden ja auch im Alltag wieder mobil zahlen wollen und diverse Apps ggfs. berechtigen auf unser Wallet (oder was auch immer) zugreifen zu dürfen. Der Sicherheitsgewinn wird nur vorübergehend sein und auf Dauer höchstens marginal. Wo Menschen sind, wird betrogen. Das ist keine Erfindung der Neuzeit.
Eine eigene Währung – gerade auch in Abkehr zum Fiat-Geld (wie manche Bitcoin-Jünger es fordern) sehe ich überhaupt nicht. Wir haben noch ein Wirtschaftsmodell, dass auf Stärkung des Kapitalstocks ausgelegt ist – mit allen Stärken und Schwächen. Eine Alternativwährung als Warengeld oder als Vollgeld ausgestaltet würde die notwendige Kreditversorgung letztlich mit allen Risiken in die Hände aller Bürger geben. So romantisch und urdemokratisch das klingen mag wäre es der Schritt zurück ins 16. Jahrhundert: Geld haben nur wenige und Kredite bekamen noch weniger. Wir dürfen nicht vergessen, dass der deutsche Wiederaufbau nach dem Krieg durch Fiat-Geld und den Glauben an eine bessere Zukunft gelungen ist. Ohne Giralgeldschöpfung der Banken wären die Kredite und damit die Investitionen viel kleiner und verzögerter gewesen.
Der Weg in eine Zukunft mit verknappenden Ressourcen und begrenztem Wachstum führt eher in eine kontrollierte Begrenzung der Giralgeldschöpfung als in ihre Abschaffung.
Daneben dürfen wir ebenfalls nicht vergessen, dass die Teuerung oder Inflation auch ein Kind des Fiatgeldes und ein wichtiger Ausgleichsmechanismus ist, ohne Menschen das Gefühl zu geben ihnen etwas wegzunehmen. Dies wäre bei Warengeld oder Vollgeld immer das Thema: der Kuchen ist fix und nur um die Verteilung wird gestritten.