Es ist viel passiert in der Payment-Welt in dieser Woche, daher habe ich ein paar Punkte, die eigentlich am des vorangegangenen Beitrags zur aktuellen Kartenstatistik von Paysys unter der Rubrik „Was gab´s noch?“ standen, zu einem eigenen Blogpost hochgeholt und zu SSNIPpets* erklärt.
Viel Spaß damit, vielleicht findet Ihr ein paar nützliche Links für Eure Themen.
Die PayPal-Urteile
Zwei BGH-Entscheidungen zum PayPal-Käuferschutz sorgten diese Woche für reichlich Schlagzeilen. Eine PayPal-Sprecherin bezeichnet die Grundsatzurteile in einer Stellungnahme als „sehr überraschend“. Sobald die Urteilsbegründung vorliegt, will man analysieren, ob Änderungen an den PayPal-Käufer- und/oder Verkäuferschutzrichtlinien notwendig sind, heißt es aus Dreilinden.
Ich sehe das Drama nicht – ähnlich wie es Maik Klotz auf PaymentandBanking geschrieben hat. Von täglich (weltweit) 20 Mio. PayPal-Transaktionen landen zwei beim Bundesgerichtshof und der stellt fest: Das BGB – sprich: Karlsruhe ist die letzte Instanz – nicht PayPal. Das bedeutet IMHO kaum weniger Käuferschutz, denn der Verkäufer muss sich das Geld im Streitfall ja erst einmal zurückholen. Wenn ihm das gelingt, wird er auch im Recht gewesen sein.
Yes, Yes, Yes
Yes. Die Sparkassen starten mit „Yes“ oder „Yes startet mit den Sparkassen“, wie das IT-Finanzmagazin korrekter titelt. ID-Management und zentrales LogIn halte ich für rasend spannende Themen. Ob Verimi, Yes oder die gemeinsamen Bemühungen von Handel und Kreditwirtschaft um Datenallianzen und ein gemeinsames Paymentverfahren allerdings von Erfolg oder wenigstens einem beschaulichen Nischendasein gekrönt sein werden? Wir werden sehen. Ich fürchte die GAFA in ihrem Lauf hält weder Verimi noch Yes auf. Zumal die EU-Kommission mit ihrer Geoblocking- und der geplanten ePrivacy-Verordnung derzeit ihr Bestes tut, um den Plattform-Giganten Schützenhilfe bei ihrem Siegszug zu leisten. Aber das ist eine andere Geschichte 😉
The use of cash
Apropos, falsche Zahlen zum Zahlungsverkehr: …und dann war da noch die neue Studie „The use of cash by households in euro area“ der Europäischen Zentralbank. Durchaus relevante Wirtschaftsmedien wie Handelsblatt, SZ und Wiwo haben dazu gestern berichtet. Zugegebenermaßen alle auf Basis derselben dpa-Meldung. „2016 trugen die Bundesbürger im Schnitt 103 Euro bei sich – im Mittel der Euroländer waren es nur 65 Euro“, heißt es da unisono (Wer braucht solch gleichgeschalteten Online-Journalismus?). Der Betrag 103 Euro kommt Ihnen bekannt vor? Richtig, der stammt aus der Bundesbankstudie zum Zahlungsverhalten in Deutschland aus dem Jahr 2014.
Wie man selbst bei oberflächlichem Querlesen erkennen kann, verweist die EZB-Studie an mehreren Stellen darauf, dass für Deutschland nur die Zahlen aus der Bundesbankstudie von 2014 vorliegen. 2014 war ein Jahr vor der Deckelung der Kartengebühren durch die EU, die erhebliche Auswirkungen auf die Kartenakzeptanz in Deutschland hatte. Aber Wiwo, Handelsblatt und SZ bzw. dpa können ja auch schlecht schreiben, „wir haben Zahlen von 2014 nochmals vorliegen, über die wir damals schon berichtet haben“.
BTW I: Fast auf jeder Seite der EZB-Studie steht, dass in Deutschland im Zahlungsverkehr alles anders ist als im Rest der EU und der Welt. (hierzu eine Anmerkung am Ende **)
BTW II: In der ersten Bundesbankstudie zum Zahlverhalten 2011 waren es auch 103 Euro im Portemonnaie des Durchschnitts-Deutschen.
Kontaktlose Kartenzahlung
Seit dieser Woche bin ich stolzer Besitzer einer NFC-fähigen Girocard. Die Sparkasse Frankfurt hat es im November 2017 geschafft mich im turnusmäßigen Kartenaustausch in das Zeitalter der kontaktlosen Kartenzahlungen zu befördern. Glückwunsch! Man muss sich das vor Augen halten: Der discountgeplagte, nicht gerade innovationsfreundliche deutsche Lebensmitteleinzelhandel hat längst die NFC-Infrastruktur an seinen Kassen geschaffen. Die Banken hinken mit ihren Karten um Jahre hinterher. Große Privatbanken haben noch nicht einmal NFC-Rollout-Pläne für ihr Kartenportfolio. Langes Kopfschütteln.
Was fehlt?
Die „Regulatory Technical Standards“ (RTS) on strong customer authentication (SCA) and secure communication (CSC) under PSD2. Die technischen Vorgaben der Europäischen Bankaufsicht zur starken Kundenauthentifizierung sind in ihrer Bedeutung für die Payment-Industrie, E-Commerce und die Bankwelt gar nicht zu überschätzen. Die EBA sollte ihren 2. (!) „final Draft“ am 24. November der EU-Kommission vorlegen. Montag soll das Papier – dem Vernehmen nach – auch veröffentlicht werden. Es gibt einen guten und aktuellen Sachstandsbericht des zuständigen Ausschusses des EU-Parlaments zu den RTS, dem Pin-Pong-Spiel zwischen EBA und EU-Kommission und den offenen Streitpunkten – inklusive eines hilfreichen Abkürzungsverzeichnisses und Fahrplans für die PSD2. IMHO ist die Regulierung der Sicherheit von elektronischen Zahlungsmethoden „Zwei-Faktor-Unsinn“. Das regelt die unsichtbare Hand des Marktes besser.
Update 27.11.2017: Die EU-Kommission hat die RTS zu SCA/CSC für die PSD2 („MfG…die Welt liegt uns zu Füßen, denn wir stehen drauf“) heute angenommen/verabschiedet. Die Zustimmungen von EU-Rat und EU-Parlament sind idR nur noch Formsache. Die entsprechende Presseerklärung der EU-Kommission erinnert etwas doppeltplusungut an Propagandasprech („more convenient“). Hier die betreffenden Dokumente. Anmerkungen, Diskussionsbeiträge und Kritik nehme ich gerne on- oder off-the-record entgegen. Oder anders ausgedrückt: Kann das bitte mal jemand für mich auswerten, der Ahnung davon hat? Danke! 🙂
* „SSNIPpets“ Begriff und Idee geklaut von dem sehr empfehlenswerten D’Kart-Blog des Düsseldorfer Instituts für Kartellrecht. SSNIPpets = small, but significant news, information and pleasantries – our pet project. In Anlehnung an den SNIPP-Test (Small but significant and nontransitory increase in price) in der kartellrechtlichen Fusionskontrolle.
** Ich wurde zum obigen Punkt „BTW I“ von jemand, der wesentlich tiefer im Thema ist, darauf hingewiesen, dass meine Interpretation der EZB-Studie wohl etwas vorlaut und voreilig war. Deutschland liege bei der Verteilung der Zahlverfahren ziemlich genau im europäischen Durchschnitt, von einer Sonderolle können nicht die Rede sein (siehe auch Grafik unten S. 20 der Studie). Ich gebe zu ich habe die Studie einfach mit dem Stichwort „Germany“ durchsucht und mir den Reim gemacht, den ich im Kopf abgespeichert hatte. Ergebnisoffene Recherche geht anders.