Am heutigen Montag veranstaltet EU-Wettbewerbskommissarin und Vize-Kommissionspräsidentin Margrethe Vestager ein virtuelles Hearing zur Regulierung der Gebühren für Kredit- und Debitkartenzahlungen. Titel: „The Interchange Fees Regulation in a rapidly evolving payment landscape: Impact and way forward„. Es geht um die Evaluation der EU-Verordnung zur Deckelung der Kartenentgelte (IF-VO) aus dem Jahr 2015.
Nach Ansicht des Handels, aber auch nach Auffassungen von Teilen der deutschen Bankenlandschaft müsste die IF-VO dringend nachjustiert werden. Denn Mastercard und Visa umgehen die gesetzliche Gebührenabsenkungen längst, wie eine aktuelle Studie von EuroCommerce belegen soll, die BargeldlosBlog vorliegt. Die verbliebenen nationalen Schemes in der EU – wie das deutsche Girocard-System – haben das Nachsehen, so die Kritik aus den Banken. Doch die Anhörung wird zu nichts führen. Die EU-Kommission ist gedanklich schon einen Schritt weiter – dabei allerdings vermutlich auf einem Holzweg.
Kommen Sie bei all den virtuellen Veranstaltungen, Videokonferenzen, Webtalks und Was-Weiß-Ich-Inaren zum Thema „Payment“ dieser Tage noch mit? Glückwunsch! Ich nicht. Daher bitte ich um Nachsicht, wenn mir im Folgenden die eine oder andere Wendung in den letzten Tagen entgangen ist. Carpe Diem reicht als Motto ja schon lange nicht mehr, wenn man bei der Dynamik der Payment-Welt zwischen EPI, eEuro und „EU-Retail Payments Strategy“ den Überblick behalten will.
Was ich als ehrenamtlicher Zaungast mitbekommen habe: Die Bundesbank hat eine hochkarätige Konferenz zur „Future of Payments in Europe“ veranstaltet, die bis hin zur Moderation von Valerie Haller absolut „State of art“ war und alles aufbieten konnte, was Rang, Namen und Relevanz hat – vom Gastgeber Jens Weidmann, Bundesbank-Chef, über Finanzminister Olaf Scholz und EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness sowie Fabio Panetta, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, bis hin zu André Bajorat, der Payment-Community noch bekannt von Bajorats Link-Liste, Mitgründer von Payment and Banking, ehemals FinTech-Guru und mittlerweile bei der Deutschen Bank AG als „Head of Strategy Corporate Bank“ tätig (hier ein Artikel zu seinem Beitrag). Ach ja, und Dr. Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV und Aufsichtsratsvorsitzender der European Payment Initiative (EPI) war auf mit von der Partie und hat Konzept und Zeitpläne für diese „Bank-driven initiative for European payments“ erläutert. Alles schön nachzusehen und zu hören auf dieser Seite der Bundesbank.
Den EPI-Zeitplan zum Rollout (s.u.) bewertet mancher Kenner der Payment-Welt als „ambitioniert“. Bei einem Wordline-Webinar gab es diese Woche noch einiges mehr zum Theme EPI auf die Ohren, hier nachzusehen. Der Handel ist enttäuscht, dass EPI nun praktisch ein drittes Kartenverfahren neben Visa und Mastercard werden soll (plus ePayment, plus P2P-Zalung). Auch wenn Konkurrenz das Geschäft belebt und die Kartengebühren vielleicht senkt. „Eine gemeinsame technische Infrastruktur auf der unterschiedliche Zahlungsprodukte andocken können, wäre uns als pan-europäische Zahlungslösung lieber“, bilanziert Ulrich Binnebößel, Zahlungsverkehrsexperte des Handelsverband HDE.
EU-Kommissarin McGuinness begrüßte dennoch die epi-sche Initiative (sorry, der musste sein) auf der Bundesbankkonferenz und explizit auch, dass neben den 16 europäischen Banken, die bei EPI bereits mitwirken, nun auch Wordline und Nets dort mitspielen wollen.
McGuinness sagte auch noch einen ebenso schönen wie düsteren Satz: „Wer die Zahlungssysteme kontrolliert, kontrolliert zunehmend unsere digitalisierten Volkswirtschaften“. Da lesen wir doch automatisch George Orwell mit:
„Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“
Wir lassen die drei Sätze noch etwas wirken, bevor wir nun endlich zum Titelthema „IF-Regulierung“ kommen. Die EU hat bereits einen Bericht zu den Auswirkungen der Interchange-Regulierung veröffentlicht, über den BargeldlosBlog europaweit exklusiv vorab berichtet hatte (so viel Eigenmarketing muss sein). Demnach war die Deckelung der Interbankenentgelte für Kreditkarten auf 0,3 Prozent und für Debitkarten auf 0,2 Prozent des Transaktionsumsatzes ein voller Erfolg. Die Kartenakzeptanten sparen jährlich Kartengebühren in Milliardenhöhe und geben diese Einsparungen zum Großteil auch an die Verbraucher weiter. Es gibt natürlich Studien von Mastercard und Visa, die zu anderen Ergebnissen kommen.
Apropos Studien. Frisch zur heutigen Anhörung veröffentlicht der europäische Händlerverband EuroCommere eine Studie von CMSPI und Zephyre laut der die Ersparnisse aus der Kartengebühren-Deckelung durch die sogenannten Scheme Fees, die Mastercard und Visa in den letzten Jahren munter erfunden und erhöht haben, praktisch vollständig neutralisiert werden. Seit 2015 sind die zusätzlichen Kosten für die Kartenakzeptanz demnach um 1,46 Mrd. Euro pro Jahr gestiegen. Ein Großteil davon kam erst in den letzten Jahren dazu (1,06 Mrd. Euro), nachdem die Jungs von EY ihre Datensammlung für die EU-Studie beendet hatten. „Gebührenerhöhung die bereits ab Januar 2021 angekündigt sind, werden nochmals zusätzliche Kosten von mehreren 100 Mio. Euro für Händler verursachen“, kritisiert EuroCommerce in einer heute verbreiteten Presseerklärung zudem und bilanziert: „Die durchschnittlichen Kosten für Kartenzahlungen in der EU sind nun höher als sie vor Inkrafttreten der Interchange-Verordnung waren“.
Die Kritik der Händler an den steigenden Scheme Fees wird auch dadurch glaubwürdiger, weil sie auch in Bankkreisen geteilt wird. Zitat: „Da die Entgeltpolitik Dritter wie zum Beispiel der internationalen Kartensysteme, die unter anderem Scheme- und Transaktionsentgelte in teilweise erheblicher Höhe erheben, zusätzlich verzerrende Auswirkungen für die Emittenten hat, ist es wichtig, dass die europäische Institutionen berücksichtigen, dass zum Beispiel die Interbankenentglete nicht Teil der Einnahmen der internationalen Kartenorganisationen sind.“ Das schreiben Dr. Christian Koch, Abteilungsleiter Recht im BVR und Matthias Hönisch, Gruppenleiter Kartengeschäft beim BVR, in einem absolut lesenswerten Beitrag (der auch einige News zu EPI und CPACE enthält) in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitung Cards. Die BVR-Vertreter lesen aus dem EU-Report zur IF-VO heraus, dass die Regulierung einseitig die europäischen Kartenherausgeber und europäischen Zahlungssysteme benachteiligt, „während Händler, Acquirer und internationale Zahlungssysteme davon nachweislich profitiert haben“.
Das Girocard-System kann halt keine Schöne-Bunte-Karten-Gebühr vom Handel kassieren und von den Einnahmen daraus anschließend Spendenprogramme oder Kick-Back-Zahlungen für die Marktbearbeitung finanzieren. (Die Rechtsabteilung in meinem Kopf sagt gerade, dass das natürlich auch kein anderes Kartensystem dieser Welt tut. Und, dass das auch stimmt. „Denn der Haifisch ist kein Haifisch, wenn man´s nicht beweisen kann“.) Natürlich kommen die beiden Banker zu anderen Schlussfolgerungen, wie die IF-VO geändert werden muss als die Interessenvertreter des Handels. (Mindestentgelte bei Kleinbetragszahlungen unter 20 Euro, Nennung des Schemes beim Zahlungsvorgang, mehr Transparenz der Entgelte für Händler, etc.)
Die EU-Kommission wird das Thema Gebührenregulierung aber trotz mancher Schieflage, die in der IF-VO angelegt ist (Scheme Fees, Firmenkundenkarten, Drei-Parteien-Systeme, PayPal & Co.), wohl dennoch nicht mehr angehen. Allenfalls beim Enforcement, also bei der Durchsetzung der IF-VO, soll noch etwas nachgeschärft werden. So ist es jedenfalls aus gut und weniger gut informierten Kreisen aus Brüssel und Berlin zu hören – und eigentlich kann man das auch schon dem ganzen Wording in den offiziellen Verlautbarungen der Kommission entnehmen. Man ist zufrieden mit dem Erreichten und will der gebeutelten Kreditwirtschaft nicht noch weitere Klötze ans Bein binden, zudem muss ja der Aufbau und die Umsetzung der von der Kommission so gelobten und gewollten EPI irgendwie finanziert werden. Überhaupt setzt die EU-Kommission auf den Wettbewerb im Zahlungsverkehr der noch kommen mag, er möge sich dämpfend auf die Kosten für die Zahlungsakzeptanten auswirken. So die Hoffnung.
Und so ist also von der heutigen Anhörung nicht viel zu erwarten, auch wenn sie von der coolsten EU-Wettbewerbskommissarin seit Karel van Miert verantwortet wird. Man wundert sich schon über die Themenagenda und die eingeladenen Referenten. „Das sind die Totengräber des Retail Bankings“, war der kräftigste Kommentar, den ich dazu in den letzten Tagen vernommen habe.
Rausschmeißer / Restrampe
Wer mehr zu EPI und eEuro lesen will, dem seien noch die Antworten der Bundesregierung auf entsprechende Anfragen der Grünen (Digitales Bezahlen/EPI) sowie der Partei Die Linke (Libra/eEuro/EPI) empfohlen. Dort kann man klatschmäßig schön nachlesen, wer aus der Bundesregierung sich mit wem traf, um über EPI zu sprechen und was die Regierung über die Regulierung von Libra, sorry Diem, denkt. Und man kann sehen, dass auch die Bundesregierung Copy & Paste beherrscht. „Anfragen der Opposition beantwortet man kurz und verletztend“, habe ich mal gelernt. 🙂
Zudem hat die Welt Zahlen zur digitalen Wegelagerei ApplePay in die Welt gesetzt: „Die Sparkassen werden im Dezember mehr als 1,5 Millionen Apple-Pay-Nutzer haben, das sind nochmals dreimal mehr als im August“, sagte Apple-Pay-Chefin Jennifer Bailey im Gespräch mit WamS. Ja, genau eben jene Jennifer Bailey spricht auch auf dem EU-Hearing, das um 9 Uhr heute startet. Und André Bajorat gehört natürlich auch zu den Speakern. 🙂
Ach, ja und dann war da noch der erfolgreiche „proof of concept“ für eine wholesale CBDC der BIS, über den die FAZ berichtete. Spätestens da merkte man mal wieder, wie schnell sich die Zahlungswelt mittlerweile dreht. Ich dachte beim Technologiepartner SIX nicht an die Schweizer Börse, sondern natürlich noch an den Zahlungsabwickler, der aber mittlerweile zu Wordline gehört. Von CBDC (retail oder wholesale) habe ich keinen Schimmer, aber wenn die dann Realität werden, sind Kartengebühren und Kreditkarten ein Thema der Vergangenheit. Den wer die digital Währung kontrolliert …). Eine wunderbare und wunderschöne, interaktive grafische Darstellung der Konsolidierung im Paymentmarkt gibt es hier.
Freue mich auf Ihre Anmerkungen zu 5 Jahren Interchange-Verordnung in den Kommentaren unten und wünsche eine schöne und gesunde Adventszeit. BG Bender
Ach Manno, Hanno Bender, jetzt haben Sie mir alle Vorfreude genommen auf dieses IFR-Hearing unter der neuen der EU-(Experten-) Kommission, die Vorfreude ist doch in dieser Vor-Weihnachtszeit doch das Allerschönste! Und ich war so hoffnungsvoll, dass durch die Mitwirkung (nicht ganz) neuer FinTech-Akteure auf Bankenseite und der Kommission der Zug der willkürlichen Kostensteigerungen und geduldeten Oligopolbildung doch noch zum Wohle Europas aufgehalten werden könnte. Jetzt bin ich ganz traurig 🙂
Dass eine durchschnittliche Kartenzahlung für Händler heute mehr kostet als vor Inkrafttreten der Interchange-Verordnung 2015 halte ich für ein wenig übertrieben. Das bedeuten, dass die Absenkung von c. 1,5 % auf 0,3 % komplett wieder durch Schemefeeerhöhungen „ausgeglichen“ worden wäre. Es ist richtig, dass einige Acquirer nach 2015 ihr I++ Pricing dazu genutzt habe „loss-making“ Händler auf eine schwarz 0 zu bringen. Sind wir doch mal ehrlich: wieviel große Händler waren in den Büchern (seit dem dualen Akquiring in 1999), die nur negative Deckungsbeiträge generiert haben. Die Regulierung hat geholfen, dass eine Art „level playing field“ zwischen Händlern und PSPs entstanden ist. Der zunehmende Wettbewerb inländischer Player, sowie durch pan-europäische Anbieter, führte darüber hinaus zu einem fairen Pricing im Akquiring.
Mein Fazit aus dem heutigen Hearing zur Interchange Fee Regulierung: Es kommt bei allen neuen Paymentangeboten auf eine maximal-optimale UX beim Konsumenten an, die nur in Verbindung mit dem Smartphone erreicht wird, eine smarte Nutzung von Daten wird immer wichtiger. Und dazu bedarf es neuer Plattformen. Ein Problem sind die Legacyplattformen, über die heute noch größtenteils die Verarbeitung stattfindet. Und die generieren weder die notwendige Daten-Transparenz für den Acquirer, noch für die Händler.