Interchange Fee Verordnung: „doc 5119/15“

MIF-VODas Million-Dollar-Dokument „5119/15“ ist seit dem 19. Januar 2015 online verfügbar. Der finale Text zum Kompromiss vom 17. Dezember 2014 zwischen Europäischen Parlament und Europäischen Rat zur europaweiten Regulierung von Interbankenentgelten bei Kredit- und Debitkarten liegt vor.

Die Zustimmung von Kommission, Parlament und Rat gilt nun nur noch als formaler Akt, der in der Parlamentswoche vom 9. bis 12. Februar vom EP und am 17. Februar oder spätestens am 10. März vom Ecofin Council (Rat) erwartet wird. Die schlanke Verordnung mit ihren 17 Artikeln auf 40 Seiten wird die europäische Kartenwelt durcheinanderwirbeln – und womöglich neu ordnen.

Große Überraschungen hält der finale Text nicht mehr bereit. Schön detailliert zeigt Artikel 17 auf, welche Regel zu welchem Zeitpunkt greifen soll. Die wichtigsten Punkte der MIF-Regulation hatte ich bereits hier skizziert.

What´s next? Geschäftsmodelle für Kreditkarten zerbröseln

Bei Kreditkarten geht das Beratungsunternehmen PaySys Consultancy GmbH von Einnahmesenkung bei den nationalen Interbankenentgelten in Höhe von 341 Mio. Euro für die kartenausgebenden Banken aus. Von den heutigen Interchange Fees von 444 Mio. Euro p.a. verbleiben nach der Regulierung nur noch 103 Mio. Euro. Laut PaySys ergibt dies ein Fehlbetrag von 11 Euro pro Kreditkarte.

Klar, dass nun so manches Geschäftsmodell von Kreditkarten-Herausgebern auf den Kopf gestellt wird und eine ganz Phalanx hochfliegender „mobile Payment“-Pläne eine Bruchlandung erleben wird  – lang bevor sie auch nur ansatzweise zum Fliegen kommen sind. Für 0,3 Prozent vom Umsatz bekommt man im mobilen Kontext nicht mal die Betrugsschäden finanziert. (Nur mal so zur Vertiefung, wenn auch US: Read here)

Minus 341 Mio. Euro allein für Deutschland, dem Land der Barzahler, in dem nur rund 5 Prozent der Zahlungen im Einzelhandel mit Kreditkarten erfolgen. Die Zahlen, die Parlament und Kommission für ganz Europa in die Welt setzen, will ich gar nicht heraussuchen, sie sind ohnehin eher Kaffeesatzleserei bzw. Würfelei.

Bundesregierung: Girocard fällt unter die Regulierung

Bei den deutschen Debitkarten wird es nun richtig spannend. Zwar versucht die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) in ihrer Pressemitteilung zum Verhandlungskompromiss vom 17. Dezember den Eindruck zu erwecken, ihr Girocard-Verfahren sei nicht von der Regulierung erfasst, weil man „bereits seit dem 1. November 2014 im Girocard-System (früher ec-Karte) in einem marktorientierten Prozess alle Zahlungsgarantieentgelte bilateral zwischen den Kartenherausgebern und den Händlern ausgehandelt“ und damit „das einzige kreditwirtschaftliche Kartenzahlungssystem in Europa ist, das ohne die sonst üblichen, durch das Kartensystem festgelegten Interbankenentgelte auskommt“. Aber mit diesem Märchen vom Kartensystem sui generis kommt die DK nicht weit – allen „marktoriertierten Prozessen“ und PR-Verschwurbelungen zum Trotz. („Ey, isch biete Girocard, was bietest Du?“)

Der Versuch der Bundesregierung und anderer Regierungen – wie der belgischen -, nationale Debitkartenverfahren von der Regulierung zu verschonen, ist in den Trilogverhandlungen nun einmal klar gescheitert. Entsprechend eindeutig teilt das Bundesfinanzministerium (federführend) in einer mit dem Bundeswirtschaftsministerium (Kartellamt im Backoffice) abgestimmten Antwort auf Anfrage mit:

„Die Europäische Kommission hat in den Verhandlungen sehr deutlich gemacht, dass nach ihrer Auffassung das Girocard-Verfahren unter die Verordnung fällt. Die Bundesregierung teilt diese Position. Aufgrund der in der Verordnung enthaltenen verschiedenen Anwendungsoptionen für die Mitgliedstaaten ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das erzielte Verhandlungsergebnis einen für alle davon betroffenen Wirtschaftskreise tragfähigen Kompromiss ermöglicht.

Hinsichtlich der Wahlmöglichkeiten der Mitgliedstaaten für Regelungen zu nationalen Debitkartensysteme, in Deutschland das Girocard-Verfahren, wird die Bundesregierung zeitnah eine Verbändeanhörung durchführen, um die für Deutschland sachdienlichste Option auszuwählen.“

„Five more years“: Lohnt sich der Kampf für das Konzentratorenmodell?

Damit wird es nun, wie erwähnt, spannend in Deutschland. Lohnt es sich für die DK, in der Verbändeanhörung dafür zu kämpfen, für weitere fünf Jahre mit dem Konzentratorenmodell und „gewichteten“ 0,2 Prozent im Jahresdurchschnitt herumzuwursteln? Was bringt der Unterschied, 0,2 Prozent vom Umsatz pro Transaktion oder am Jahresende im Durchschnitt aller Transaktionen? Haben die beiden großen Issure (DSGV, BVR = 80 Prozent der Girocards) und die Privatbanken hier eine gemeinsame Linie in der DK?

Vielleicht macht es Sinn, die großen Transaktionsvolumen von Aldi, Lidl, Rewe, Edeka, Aral & Co. mit 0,1XY Prozent zu locken, um sie von den Verlockungen der internationalen Player Maestro und V-Pay fernzuhalten. Aber das Ganze funktioniert nur für fünf Jahre. Danach gelten 0,2 Prozent oder gar 5 Cent fix pro Transaktion. Dafür den Abrechnungsaufwand in Kauf nehmen? Die Investitionen für „Phase 2“ des Konzentratormodells budgetieren? Bei den privaten Banken, mit den paar Karten? Ich wäre gerne Mäuschen bei den aktuellen Diskussionen in Frankfurt und Berlin. Ich würde gern ein Blick auf die Excel-Sheets werfen. „Die Karte als Schlüssel zum Kunden“ – oder als letzte Brücke. „Das finanzieren wir aus dem Marketingtopf.“

Der Siegeszug von Maestro und V-Pay

Schon heute wechseln viele Händler zur Maestro- und V-Pay-Akzeptanz oder fangen erst gar nicht mit Girocard und dem ganzen TA 7.XY-Tamtam an, wenn sie nach Deutschland kommen. Ob das eine begrüßenswerte Entwicklung ist, steht hier gar nicht zur Debatte, aber der paneuropäische Siegeszug der internationalen Debitverfahren ist vermutlich eine nun zu erwartende Entwicklung.

Schließlich müssen die Jungs und Mädels bei Mastercard und Visa die europaweiten Interchange-fee-Verluste irgendwie durch neues Geschäftsvolumen kompensieren. Der Angriff auf die wenigen verblieben nationalen Debitkartenverfahren – die gallischen Dörfer Europas – wäre da doch ein aussichtsreiches Spielfeld.

One more thing…

Bei den (echten) Drei-Parteien-Systemen und übrigen Kandidaten wie American Express und Playern wie PayPal wird es natürlich ebenfalls interessant. Werden sie auf die nun kommenden bzw. bereits vom Handel einverlangten Gebührensenkungen der Konkurrenz bzw. der Abwicklungspartner reagieren? Kann der Spread zwischen 0,3 Prozent und den aktuellen PayPal- bzw. Amex-Konditionen bestehen bleiben? Kann Amex mit weniger leben? PayPal?

Guten Abend für heute!

3 Gedanken zu „Interchange Fee Verordnung: „doc 5119/15“

  1. Hinweis zu den möglichen nationalen Ausnahmen von den fixen Debit-Caps: Die Kompromissfassung der IC-Verordnung spricht in den entsprechenden Passagen (Recitals 19ba und 19c sowie Art. 3.1a) immer von „domestic debit card transactions“. Wenn das BMF also davon ausgehen sollte, es könnte diese weighted averages nur innerhalb des Girocard-Verfahrens anwendbar machen, dann täuscht man sich dort.

    Kommt es dazu, dass die Bundesregierung die Ausnahmeregelung auf nationale Zahlungen anwendet, dann gilt diese gleichsam für Maestro und V-Pay.

  2. Wenn der Staat sich einmischt, kann nur Sch…. bei rauskommen. Sorry. Somit schütze ich nur den Non-Credit-Card-Markt, für den es keine Banken-Alternative gibt. Somit stärkt man wieder nur Paypal. Will man das wirklich? Die werden die Kosten garantiert nicht senken.
    Die Lösung ist Bitcoin. Aber dazu fehlt in Europa der Mut.

  3. Leider nicht hier sondern auf Xing entspann sich heute eine kurze, interessante Diskussion zum Artikel. Ich erlaube mir, sie hier per copy&paste anonymisiert wiederzugeben.

    A.S. – Heute 12:48
    Eine hervorragende Kommentierung auch zu den Bemühungen der gallischen Dörfer. Aber DSGV und BVR haben bisher nichts unversucht gelassen, ihre diesbezüglichen Dienstleister sowie den Beschäftigten in den Dach- und Regionalverbänden eine Plattform für Aktivitäten zu bieten, die strategisch und wirtschaftlich fraglich sind.

    Banker H. – Heute 15:13
    Ja, business Pläne für mobile payment werden ‚anspruchsvoll‘ Nur mal so: die Bundesregierung hat nicht entschieden, dass girocard unter die Regulierung fällt. Die Entscheidung ist also noch offen. Da das Kartengeschäft mit manchen brands defizitär ist, werden Banken bei der Brand-Auswahl reagieren.

    Hanno Bender – Heute 19:04
    Lieber Herr H., die Bundesregierung hat das nicht entschieden, da bin ich ganz bei Ihnen. Entschieden haben Kommission, Parlament und Rat. Ich halte die Antwort des BMF für erfrischend unmissverständlich. Das Thema ist IMHO durch.

    Mineralöler B. – Heute 19:05
    Hallo Herr Bender, ein wirklich gelungener Artikel! Spannend dürfte in der nahen Zukunft die Debit-Diskussion werden: Aus meiner Sicht ist es letztendlich irrelevant,ob die girocard unter die Regulierung fällt oder nicht…der Markt wird sich mit den neuen Rahmenbedingungen selbst regulieren….umso fraglicher, ob eine weitere Abschottung des domestischen Marktes durch das Entfernen von europäischen Brands die richtge Antwort ist? Man fühlt sich an die Diskussion der „Realo-“ bzw „Fundi-Lager“ bei den Grünen hinsichtlich der 80er erinnert…

    Mineralöler B. – Heute 19:13
    @ Herrn Banker H.: Vielen Dank für Ihren informativen Workshop im Rahmen der UNITI Veranstaltung….ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich die Verbände der DK dem Wettbewerb stellen werden 🙂

    Banker H. – Heute 19:16
    Von Abschottung redet niemand, war auch nicht intendiert. Die Welt wird bunter: auch das sehen wir bereits und ist auch gut so. Später mag der Markt aber auch wieder etwas weniger bunt werden. Ja: Bzgl der Entgelte ist die Entscheidung der Bundesregierung vermutlich nicht so wichtig, das zeigen die Marktrealitäten ja bereits.

    Banker H. – Heute 19:21
    Herr O.B.: Keine Sorge ! Dass girocard sich dem Wettbewerb bereits stellt, habe ich ja bei der Uniti aufgezeigt. Wir schotten uns eben nicht (wie andere) ab: so gut wie alle Forderungen der MIF VO bzgl scheme management, offener specs etc. sind umgesetzt, wir migrieren auf SCC, fördern SEPA FAST etc.; aber das wissen Sie ja bereits alles 🙂

    Und bei LinkedIn wurde folgende Anmerkung zum Artikel gepostet:

    „Just because American Express keeps on appearing as 3 party system ! Here something about their GNS unit: Global Network Services We continue to pursue a strategy, through our GNS business, of inviting U.S. and foreign banks and other institutions to issue Cards and, in some countries, act as merchant acquirers. http://ir.americanexpress.com/Cache/1001184492.PDF?Y=&O=PDF&D=&FID=100118

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